Das besondere Boot: Zwei Eigner, ein Boot: "Potvis" entfesselt Leidenschaften | YACHT

2022-11-14 15:10:02 By : Ms. Carrie Chan

Der eine Eigner hat es exzessiv grundsaniert, der nächste erhielt ein für seine Zwecke perfektes Schiff. Nun teilen sich beide ein Boot, das seinesgleichen sucht

"Oh, wie schön." Peter Zimmermann sitzt im April 2021 mit seiner Partnerin Andrea zum Abend­essen in einer Pizzeria in Nordrhein-Westfalen. Die Freunde Susanne und Frank haben dem Paar gerade die Verkaufsanzeige einer kleinen klassischen Yacht gezeigt. Andrea ist entzückt und schickt dem Anbieter umgehend eine E-Mail. Jürgen Krumme möchte seinen Gaffelkutter "Potvis" vom Typ IP23 verkaufen und ruft Peter Zimmermann an, bevor der seinen Nachtisch bestellt hat. "Wir haben uns also für den nächsten Tag verabredet, und ich bin dann 'nur mal so zum Gucken' nach Friesland gefahren", erzählt der 60-jährige Allgemeinmediziner. Krumme und Zimmermann sind sich auf Anhieb so sympathisch, dass sie bis Mitternacht gemeinsam im gemütlichen Salon hocken und klönen.

"Es war sofort um mich geschehen, als ich unter Deck kam", erinnert sich Zimmermann. "Das war alles so hübsch und nett klein und in meinen Augen optimal für zwei Personen." Genau diese Eignung für Zweisamkeit steht bei der Suche nach dem ersten eigenen Boot ganz oben auf der Wunschliste vieler Einsteiger. Denn diese kommt seiner Partnerin Andrea bei den regelmäßigen Chartertörns mit diversen Freunden doch häufig zu kurz. Es wird also gleich am nächsten Tag noch mal gemeinsam über "Potvis" nachgedacht und dann Jürgen Krumme angerufen: "Okay, ich kaufe dein Boot."

Die Chemie zwischen Käufer und Verkäufer stimmt auch ein gutes Jahr nach der Übergabe von "Potvis" noch bestens. So darf Krumme seine Ex-Yacht weiterhin nutzen, und an einem sonnigen Maitag trifft er Zimmermann zum gemeinsamen Segelschlag auf dem Heeger Meer.

Die Stimmung ist ausgelassen, es wird viel gelacht und über die diversen Besonderheiten des von Krumme gestalteten Schmuckstücks gefachsimpelt. Die IP23 wurde vom Briten Bill Waight, einem Assistenten der innovativen Konstruktions-Ikone Uffa Fox, ursprünglich als seetaugliches Fischerboot konstruiert. Island Plastics (IP) baute ab den 1970er-Jahren über 2.000 Rümpfe der beiden Modelle IP23 und IP24 auf der britischen Isle of Wight. Die S-Spant- Rümpfe aus GFK mit ihrem markant hochgezogenen Bug gingen an verschiedene Werften, wo sie nicht nur zu Fischerbooten und Trawlern mit unterschiedlichsten Aufbauten, sondern auch zu Motoryachten, Motorseglern und Segelyachten fertiggestellt wurden. Die Werft Lok im niederländischen Zwartsluis schuf "Potvis" 1973 als Gaffelkutter. Jürgen Krumme kaufte "Potvis" (niederländisch für Pottwal) im August 2015 in Arnheim.

Der Bad- und Heizungskaufmann aus Stadtlohn im westlichen Münsterland hatte 2005 im friesischen Heeg auf der Wanderjolle Polyvalk das Segeln gelernt und danach weitere Erfahrungen gesammelt, etwa auf Charteryachten in Kroatien. Anfang 2015 kam der Wunsch auf: "Jetzt mal was Eigenes." Schnell kristallisierte sich die IP23 oder IP24 als Wunschboot heraus: stäbig, sicher, schiffig. Als Krumme sich nach einem halben Jahr Suche "Potvis" anschaut, ist er sofort "schockverliebt". "Das viele Holz, das charmante 'plastikfreie' Innere des Bootes und die vielen klassischen Elemente sprachen mich sofort an. Ebenso die Gaffeltakelung. Je mehr Leinen, desto spannender ist es doch. Ein echtes Boot mit Charme und Charakter." Nach dem Kauf segelt er seine "Potvis" bis zum Saisonende möglichst häufig bei Arnheim und schmiedet dabei Pläne für den Winter. Die hohe Qualität der Konstruktion und der Teile bestätigt ihm, dass es ein guter Kauf war.

Dennoch geht es jetzt an eine umfangreiche Sanierung. "So viel Spaß mir mein Job als Kaufmann macht. Am Ende sind es doch sehr oft nur nackte Zahlen. Deshalb hatte ich große Lust auf ein handwerkliches Projekt." Im Herbst 2015 kommt "Potvis" nach Zutphen in eine Halle der Yachtwerft De Marshaven. "Vom Ehrgeiz gepackt, machte ich mich sofort an die Arbeit und stellte natürlich bald fest, dass ich den Aufwand unterschätzt hatte."

Rund 1.500 Arbeitsstunden wird der heute 53-Jährige in sein Boot investieren. Acht Monate lang gibt es neben seinem Job nichts anderes für ihn als "Potvis". "Ich habe oft bis ein, zwei Uhr nachts am Boot gearbeitet und weder nach links noch nach rechts geschaut." Die ständige Fahrerei von Stadtlohn zur 50 Kilometer entfernten Halle nervt bald. Andererseits bietet die Werft in Zutphen an der IJssel stets kompetente Ansprechpartner. "Da das mein erstes Boot war, waren die meisten notwendigen Arbeiten für mich totales Neuland."

Also wird jede geplante Baustelle mit einem ausgewiesenen Fachmann angeschaut und durchgesprochen. Und das sind einige. Ein Lackiermeister erklärt, dass der Rumpf nicht mehr vernünftig aufpoliert werden kann. Also wird er abgeschliffen und ein komplett neuer Lackaufbau durchgeführt. An dessen Ende kann man sich im edlen Schwarz des Rumpfes spiegeln. Die alten Teakstäbe, alle Beschläge wie auch die Scheuerleiste werden demontiert, das Deck abgeschliffen und die unzähligen Schraubenlöcher mit Polyester verschlossen.

Es folgen acht Lackschichten, jeweils mit Zwischenschliff. Am Ende wird noch ein neuer Anti-Rutsch-Anstrich aufgetragen. Alle Holzteile werden fachmännisch aufgearbeitet und mit hochwertigem 2-K-Lack rundherum in Hochglanz lackiert. "Zuerst kam immer eine dunkle Beize drauf, damit alle Holzteile den gleichen Farbton haben. Dann folgten zehn bis 15 Lackschichten mit Zwischenschliff und allem Zipp und Zapp."

An manchen Tagen lag das heimische Wohnzimmer voller Holzteile. Nach deren Wiederanbringen werden sie dreifach mit Sikaflex abgedichtet.

Das gilt auch für die Relingsstützen. Im Hafen von Heeg nimmt Peter Zimmermann die Abdeckungen aus Segeltuch von den äußeren Holzteilen. Diese hat Krumme ex­tra angefertigt, um den Lack vor der Sonne zu schützen. Die meisten sind mit dem "Potvis"-Logo bestickt oder bedruckt, das der Voreigner auch selbst entworfen hat.

Krumme und Zimmermann holen die klassischen Festmacherleinen ein und verlassen den Hafen. Schnell wird das braune Gaffelgroß gesetzt, dann Klüver und Fock ausgerollt. Alle Fallen und Schoten sind aus dem Cockpit zu bedienen. Zur Einhandtauglichkeit von "Potvis" trägt ferner die zuverlässige Kurstreue des Langkielers bei.

Der dreht mit backgehaltenem Klüver langsam, aber gut durch die Wende. "Potvis" ist an der Kreuz sicher kein schneller Segler, versegelt auf Raumschotskursen aber durchaus manche modernere Yacht gleicher Größe. Das Cockpit vermittelt mit seiner hohen Plicht viel Sicherheit. Krumme hat es sich auf einem der Klappsitze bequem gemacht, die auf das Cockpitsüll gesteckt werden können. Zimmermann steht am traditionellen Steuerrad aus Teakholz, in dessen Radnabe der Bootsname und das Baujahr graviert sind.

Das Messinggehäuse des klassischen Steuerkompasses glänzt auf der Steuersäule in der Sonne. Überhaupt lässt sich auf "Potvis" ein guter Überblick über das Messing- und Bronze-Sortiment des Ausrüsters Toplicht gewinnen: Decksbeschläge, Winschen, Fenster, Positionslampen ... Einige vorhandene Teile hat Jürgen Krumme während der Sanierung aufpoliert, weit mehr neu angeschafft. Die Guss- und Stahlteile am Rigg wurden gesandstrahlt, grundiert und neu pulverbeschichtet.

Den Kopf des Teak-Flaggenmastes wie auch die Nameboards mit dem Schiffs­namen hat Krumme mit 24 Karat Blattgold belegt. "Wenn ich schon eine Sanierung anfange, dann muss die auch richtig gut werden", blickt Krumme zurück. "Ich habe mir deshalb auch erst gar kein Budget gesetzt." So stimmte schon nahezu jedes Detail, als "Potvis" im Mai 2016 in Friesland zurück ins Wasser kam.

"Da ich hier in Heeg meinen Segelschein gemacht habe, hatte ich bereits einen Bezug hierher. Außerdem bietet das Heeger Meer tolle Bedingungen. Da es recht lang ist und meist Westwind herrscht, kann man hier wirklich gut segeln." An fast jedem Wochenende segelte Krumme fortan während der Saison auf den Friesischen Seen. "Ich bin vorher viel gereist und stellte dann fest, dass es hier so schön ist, dass ich gar nicht weiter weg brauche. Stattdessen habe ich es total genossen, abends mit Freunden an Bord zu sitzen und ein Glas Wein zu trinken."

Dank einer Sommerpersenning überm Cockpit wird es hier auch spät abends nicht klamm, und zum Frühstück muss morgens nicht erst Taunässe von den Cockpitbänken gewischt werden. Längere Törns führten aufs IJsselmeer, und im Sommer ging es für 14-Tage-Trips in die Waddenzee zu den Westfriesischen Inseln. Die Idee, sich selbst zum 50. Geburtstag einen Törn zur Isle of Wight in Großbritannien zu schenken, wo "Potvis" entstand, wurde jedoch nicht umgesetzt. "Dafür hätte ich die bewusst einfach gehaltene Ausstattung an Bord doch um Funk und Plotter ergänzen müssen. Außerdem fühlte ich mich noch nicht erfahren genug für einen Törn durch den Englischen Kanal."

Neben der umfangreichen Segelei wird "Potvis" selbstverständlich kontinuierlich weiter perfektioniert.

So bekommt der 7,50 Meter lange Mast, der 2012 aus zwei verleimten Hälften neu gebaut wurde, 2017 einen frischen Lackaufbau in der Lackiererei. "'Du bist doch bekloppt', wurde mir gesagt, als wir den Mast gestellt haben. Der sieht ja aus wie eine Glasstange."

Auch die Baumschere wird lackiert und alle Beschläge aus Edelstahl erneuert. 2018 wird die Gaffel neu angefertigt, erhält ebenfalls Edelstahlbeschläge und neues Leder an der Gaffelklau.

Der Mastkoker aus Edelstahl wird schwarz pulverbeschichtet. Die Glocken- und Kunstgießerei Petit & Gebr. Edelbrock im westfälischen Gescher gießt aus Bronze ein Pottwal-Emblem, das auf den Großbaum-Nockbeschlag aufgesetzt wird. Die Vorlage mit "Potvis"-Schriftzug hat Krumme vorher selbst aus Wachs hergestellt. Fotos von diesem weiteren Hingucker postet der Eigner unter "S/Y Potvis" ebenso auf Facebook wie kurze Videos von seinen Törns. Wie Jürgen Krumme so erzählt, hört sich seine Eignerschaft nach bedingungs­loser Liebe an. Wieso hat er "Potvis" dennoch verkauft? "Nach sechs Jahren hat mich mein selbst gesteckter Anspruch belastet. Ich habe vorm Anlegen in einem anderen Hafen immer erst noch mal die Messing­teile geputzt, damit mein Boot auch einen guten Eindruck macht."

Außerdem hat ihm die Sanierung seines Gaffelkutters so viel Freude bereitet, dass er Lust auf ein neues Projekt hat. Ein Jahr nach dem Verkauf hat er noch keine neue Yacht gesucht. Vielmehr nutzt er weiterhin sein Ex-Boot, ohne die teils belastende Verantwortung für das Schmuckstück. "Jetzt bekomme ich manchmal ein Foto von Jürgen von Bord geschickt", verrät der Neu­eigner. "Da ist dann das Messingputzzeug drauf, um mir zu zeigen, wo mal wieder nach­poliert werden muss." Peter Zimmermann hat mit dem Kauf von "Potvis" ein schweres Erbe angetreten. Den Gaffelkutter neben vielen anderen Hobbys in diesem außer­gewöhnlichen Pflegezustand zu halten ist eine Herausforderung.

Das weiß der Hausarzt mit eigener Praxis in Sonsbeck am Niederrhein, der 1990 erstmals mit seinem Vater in Griechenland segelte. Seit Jahren ist er zu durchschnittlich fünf Chartertouren pro Jahr unterwegs. Meist über verlängerte Wochenenden skippert er Plattbodenschiffe, außerdem Kielyachten auf Wochentörns in Kroatien.

Es wird Zeit, einen Blick unter Deck zu werfen – war die dortige Gemütlichkeit doch entscheidend dafür, dass Zimmermann "Potvis" kaufte. Im Innenraum mit 1,80 Meter Stehhöhe ist ausschließlich Holz zu sehen. Im Salon und dem WC-Raum wurde von Krumme ein neuer Teakholz­boden verlegt, der ebenso hochglanz­lackiert wurde wie die Holzschotts und -schränke und die Stufen am Niedergang.

Beidseits liegen Hundekojen, in die jedoch nur mit etwas Verrenkung eingestiegen werden kann. Zimmermann nutzt sie deshalb ausschließlich als Stauraum. An Backbord ist die Pantry in Längsrichtung angebracht, mit Zwei-Flammen-Gaskocher, Kaffeemaschine und Spülbecken.

Davor befindet sich der Toilettenraum, der dank Porta-Potti-Toilette bereits für die in Zukunft strenger werdenden Regeln in den Niederlanden ausgerüstet ist. Die V- förmige Doppelkoje im Vorschiff ist ausreichend wohl bemessen. Im Salon lässt sich die Dinette zur weiteren Doppelkoje umbauen.

Die Polster wurden im Rahmen der Sanierung mit neuem Stoff in warmem Rot bezogen. Ein besonderer Hingucker ist die Salondecke. Eine neun Millimeter dicke seewasserbeständige Armaflex-Isolierung verhindert hier die Kondenswasserbildung. Die darüber liegende Holzvertäfelung wurde zwölffach weiß in Hochglanz lackiert. Mit schmaler Fuge wurden die Leisten mit Messingschrauben befestigt, deren Schlitze selbstverständlich alle in eine Richtung zeigen.

"Die wurden natürlich alle mit einem neuen Schraubendreher reingedreht, damit die Schlitze nur minimal in Mitleidenschaft gezogen wurden." Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass Jürgen Krumme auch die Elektrik größtenteils ausgetauscht und einen Landanschluss samt hochwertigem Batte­rieladegerät sowie ein 230-Volt-Stromnetz mit zwei Steckdosen ergänzt hat.

Alle Wasser- und Gasleitungen wurden erneuert und der alte Wassersack obendrein durch einen isolierten Kunststoff- Wassertank ersetzt.

Die 80 Liter Frischwasser gelangen per elektrischer Pumpe zur Mischbatterie von Hans Grohe. Die elektrische Innenbeleuchtung (LED wie auch die Navigations- und Decksbeleuchtung) lässt sich durch zwei klassische Messing-Öllampen stilvoll ergänzen. Man kann "Potvis" wohl als Gesamtkunstwerk bezeichnen. Eines, das aber auch aktiv gesegelt wird.

Für heute sind die Segel geborgen, und fürs Abendessen wird in Heeg direkt vorm Restaurant "d’Ald Wal" angelegt. Anerkennende Kommentare für den 23-Fuß-Gaffelkutter "Potvis" lassen – wie überall – nicht lange auf sich warten. "Oh, wie schön!" ist da noch eine zurückhaltende Bemerkung.

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